Hic sunt dracones

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dragon
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Veröffentlichungsdatum

25. April 2024

Hier sind Drachen

„Hic sunt dracones“ (in Inschriften HC SVNT DRACONES) ist eine lateinische Phrase, die mit „Hier sind Drachen“ übersetzt werden kann. Es handelt sich um einen Anachronismus, der auf die Praxis zurückgeht, auf mittelalterlichen Landkarten Abbildungen von Fabelwesen anzubringen, um unerforschte oder gefährliche Gebiete zu kennzeichnen und Reisende zu warnen. Der Ausdruck stammt aus einer Zeit, in der Kartographen nur begrenzte Kenntnisse über ferne Länder hatten und ihre Karten manchmal mit mythischen Kreaturen wie Drachen oder Seeschlangen (vgl. auch: HIC SVNT LEONES) ausschmückten, um unbekannte und potenziell gefährliche Regionen darzustellen. Heute wird „hic sunt dracones“ bisweilen metaphorisch verwendet, um Ungewissheit oder Gefahr auszudrücken, oder einfach nur um ein Gefühl von Abenteuer hervorzurufen.

Drachensagen und Naturgefahren

Heiser et al. (2019) veröffentlichten eine Vollständigkeitsanalyse des Wildbachkatasters von Österreich. Ihr Artikel beinhaltet eine detaillierte historiographische Analyse, die eine Vielzahl von Quellen berücksichtigt. Neben historischen oder semi-historischen schriftlichen Quellen wie Chroniken, Annalen und Zeitungen bieten auch Erzählungen wie Sagen Einblicke in das Auftreten von Naturgefahren.

In Sagen werden katastrophale Ereignisse oft auf übernatürliche Weise umgedeutet, wobei Drachen ein häufiges Motiv sind1. Dieser Glaube geht auf die proto-wissenschaftlichen und frühen wissenschaftlichen Bestrebungen des 16. und 17. Jahrhunderts zurück, wo Fossilien und Knochen manchmal als Beweis für die Existenz von Drachen angesehen wurden2.

Auf der Grundlage von fast 6800 Sagen haben die Forscher den Zusammenhang zwischen Drachen und Wildbachereignissen kartiert und dabei eine Häufung in Tirol und Vorarlberg festgestellt. Drachen oder drachenähnliche Wesen werden häufig mit verschiedenen Naturgefahren in Verbindung gebracht, insbesondere eben mit Wildbächen. Neben Drachen wurden auch Hexen, Dämonen (z.B. der „Butz“ in Dornbirn, Vorarlberg), wandernde Geister (z.B. die „Salige“ in Vent, Tirol, die für den Bruch des eisgestauten Rofener Sees verantwortlich gemacht wird) und sogar der Teufel selbst als Verursacher von Murenabgängen oder Hochwasser vermutet.

Image Credit: Ryan Moulton via Unsplash

Literatur

Heiser, Micha, Johannes Hübl, und Christian Scheidl. 2019. „Completeness analyses of the Austrian torrential event catalog“. Landslides 16 (11): 2115–26. https://doi.org/10.1007/s10346-019-01218-3.

Fußnoten

  1. Petzoldt, L. (2002): Einführung in die Sagenforschung. 3rd edn. UVK, Konstanz. ISBN: 978-3825223533.↩︎

  2. Petzoldt, L. (2003): Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister, 3rd edn. C. H. Beck, München. ISBN: 978-3406494512.↩︎